Auf dem RheinTerrassenWeg: Das ober- und unterirdische Oppenheim
25. September 2019
Auf dem RheinTerrassenWeg: Das ober- und unterirdische Oppenheim
Der RheinTerrassenWeg zwischen Worms und Mainz liegt idyllisch am Rhein und verläuft mitten durch die Weinberge Rheinhessens. Wir sind ihn abgewandert und stellen Ihnen in unserem Blog nach und nach die interessantesten Höhepunkte auf und neben der Wegstrecke vor. Diesmal entdecken wir Oppenheim und zwar sowohl ober- als auch unterirdisch. In unserem Blog verraten wir Ihnen was die Polizei, Goethe und Kröten mit unseren spannenden Erlebnissen in Oppenheim zu tun haben.
Wir lassen das lebendige Weindorf Guntersblum hinter uns und folgen dem RheinTerrassenWeg über die rheinhessischen Ortschaften Ludwigshöhe und Dienheim. Die grandiosen Fernblicke dieses Abschnitts reichen weit in das Rhein-Main-Gebiet. Das Gute aber liegt ganz nah, denn am Ende erhebt sich die wunderschöne Silhouette Oppenheims am Horizont. Die mittelalterliche Stadt ist unsere nächste Station – sowohl ober- als auch unterirdisch. Was die Polizei, Goethe und Kröten mit unseren Erlebnissen in Oppenheim zu tun haben, verraten wir Euch hier.
Das mystische
Kellerlabyrinth
Die Altstadt von Oppenheim mit ihren
verwinkelten Wegen und schmalen Treppengassen versprüht einen malerischen Charme.
Wir überqueren den zentralen Marktplatz und treffen Walter Lang am Stadtmuseum.
Er wird mit uns in die Oppenheimer Unterwelt hinabsteigen.
Stadtmuseum Oppenheim
Walter Lang ist keineswegs Fährmann und in der rheinhessischen Unterwelt warten auch keine Dämonen – obwohl wir die eine oder andere Geistergeschichte hören werden. Wir erkunden mit dem Gästeführer das Oppenheimer Kellerlabyrinth, ein nationales Kulturdenkmal und einzigartiges System unterirdischer Gänge und Keller. Nicht weniger spannend als der Hades!
Gästeführer Walter Lang
Bei sommerlich-heißen Temperaturen verspricht
der bevorstehende Abstieg eine willkommene Abkühlung. Zunächst werden wir mit Helm
und Haube ausgestattet. Sicherheit geht definitiv vor Aussehen! Während wir uns
wie „Bob der Baumeister“ fühlen, erzählt uns Walter Lang von den echten
Baumeistern der unterirdischen Keller.
Etwa vom 11. bis 15. Jahrhundert wurde die
Stadt fleißig unterkellert, um notwendige Lagerräume zu schaffen. Im
Mittelalter war Oppenheim eine wichtige Handelsstadt mit Marktrecht, Warenumschlag,
Zoll- und Lagerrecht. Übrigens: Wer damals als Erster buddelte, dem gehörte der
Keller. Deshalb haben Krämer nicht selten ihre Nachbarn im Eiltempo untergraben.
Oppenheimer Kellerführung
Wir steigen die alte Steintreppe am Eingang
des Labyrinths hinab und sofort umfängt uns kühle Luft. Eine Wohltat! Die
konstanten Temperaturen zwischen 16 und 18 Grad seien im Sommer wie Winter
angenehm, schwärmt Walter Lang. Deswegen könne man das Kellerlabyrinth
ganzjährig wunderbar besuchen.
Steintreppe im Kellerlabyrinth
Tiefer als die Polizei erlaubt
Unser Gästeführer lotst uns durch die
verschachtelten Gänge. Ohne ihn wären wir wohl verloren. Die gesamte Altstadt
ist unterkellert – und das auf mehreren Stockwerken bis zu acht Meter tief.
Walter Lang aber kennt die „Stadt unter der Stadt“ wie seine Westentasche. Er
kann sich gut daran erinnern, dass das unterirdische System viele Jahrzehnte
als Stauraum für Sperrmüll und allen möglichen Schrott genutzt. Quasi als
Teppich, unter den man den Müll der Geschichte kehren und vergessen konnte.
1986 aber kam die Polizei ins Spiel und setzte dem ein Ende. Wenn auch nicht
so, wie Ihr jetzt vielleicht denkt.
Kellergewölbe
In besagtem Jahr versank mitten in der
Altstadt urplötzlich ein Polizeiauto. Die beiden Streifenpolizisten kamen mit
dem Schrecken davon, doch die Oppenheimer nahmen das Loch im Boden zum Anlass, unter
sich zu forschen, aufzuräumen und vor allem zu sichern. Über 500.000 Eimer
Schutt aus 500 Jahren Geschichte wurden unter Tage gefördert, darunter diverse
Scherben, Kacheln, Knochen (keine Menschenknochen!), Nachttöpfe und sogar
Autokarosserien. Walter Lang muss schmunzeln, als er sich an den einen oder
anderen „Schatz“ erinnert.
Auch wir tauchen immer
tiefer in den Untergrund ein. Inzwischen ist es schwer zu sagen, wie viele
Meter schon zurückgelegt wurden. Würde man alle 630 registrierten Keller
hintereinanderlegen, käme man auf 30 Kilometer. Fast die Hälfte unseres
RheinTerrassenWegs also. Touristisch sind auf zwei Rundgängen aber „nur“ etwa
750 Meter erschlossen.
Unsicher fühlen wir uns
zu keiner Zeit. Müssen wir auch nicht denn „die Keller sind der sicherste Ort
in Oppenheim und ein gutes Versteck für seine Bewohner“, verspricht unser
Gästeführer. Den Beweis liefert er gleich hinterher: In den letzten
Jahrhunderten wurde die oberirdische Stadt viele Male durch Kriege, Feuer und
Erdbeben zerstört – und wiederaufgebaut. Die Keller blieben immer unversehrt.
Tatsächlich sind sie heute der einzige Hinweis auf den mittelalterlichen
Grundriss Oppenheims.
Eine Gruft, viel Wein und manchmal Pizza
Walter Lang kann
unglaublich viele Geschichten über die Keller und ihre Besitzer erzählen.
Mystische Geschichten, als wir vor einer Mauer stehen, die uns von der Gruft
der St. Bartholomäus Kirche trennt. Gesellige Geschichten,
als in einem anderen Keller alles für eine Weinprobe bereitsteht. Interessante
Geschichten vom „Kulturkeller“, in dem tolle Veranstaltungen stattfinden. Und
lustige Geschichten, wie etwa, dass er am Keller der örtlichen Pizzeria mitunter
seine Bestellung nach oben ruft und diese für ihn nach Ende der Kellerführung
zur Abholung bereitsteht.
Weinkeller
Nach etwa einer Stunde geht es wieder hinauf. Unsere
Augen müssen sich nach dem gedimmten Licht des Kellers langsam an die grelle
Sonne gewöhnen. Wir geben unsere Helme ab. Die vielen Eindrücke und die
Tatsache, dass wir soeben auf 800 Jahre altem Boden standen, kann uns aber
niemand mehr nehmen.
Tipp: An Halloween finden im Oppenheimer Kellerlabyrinth spezielle und
besonders beliebte Veranstaltungen für Groß und Klein statt. Die Gänge und
Keller sind dann atmosphärisch geschmückt und Schauspieler sorgen für eine schaurig-schöne
Atmosphäre unter der Erde.
Die
imposante Katharinenkirche
In direkter Nachbarschaft des Stadtmuseums befindet sich das nächste Ziel unseres Bummels. Die faszinierende evangelische Katharinenkirche thront über den Dächern der Altstadt und zieht uns sofort in ihren Bann. Kein Wunder, gilt sie doch als das bedeutendste gotische Sakralbauwerk zwischen dem Kölner Dom im Norden und dem Straßburger Münster im Süden.
Ev. Katharinenkirche in Oppenheim
Auf dem schön angelegten Kirchplatz bestaunen
wir die eindrucksvolle Sandsteinfassade und die goldenen Sonnen- und Planetenuhren.
Das Innere der Kirche präsentiert sich nicht weniger prachtvoll. Die großen
Fenster lassen an einem Tag wie heute viel Licht in den Altarraum. Von ihrer
detailreichen und hochwertigen Buntverglasung war sogar Goethe schon angetan.
Wie könnten wir es da nicht sein?
Und da wir gerade bei bedeutenden Deutschen
sind: Max Reger und Albert Schweitzer haben einst in der Katharinenkirche auf
der historischen und hochgeschätzten Walcker-Orgel gespielt und ihre poetische
Klangfarbe gelobt. In der heutigen Orgel ist altes Pfeifenmaterial aus
ebendiesem Instrument restauriert und integriert worden.
Wir spazieren einmal um die Katharinenkirche
herum und bestaunen die kleine Michaelskapelle in ihrem Schatten. Zugegeben: Das
Beinhaus im Untergeschoss ist mit vielen aufgestapelten Schädeln und Knochen sicher
nichts für schwache Nerven. Es gehört aber zu den wenigen erhaltenen Bauten
dieser Art in Rheinhessen und ist definitiv einen Blick wert – wie lang bleibt
Euch überlassen.
Beinhaus der Katharinenkirche
Die
demütige Bartholomäuskirche
Jetzt wollen wir es uns natürlich nicht nehmen
lassen, auch einen Blick in die zweite Kirche Oppenheims zu werfen. Auf dem
kurzen Weg dorthin fallen uns viele Kellereingänge in den Hausfassaden der
Altstadt auf. Walter Lang erwähnte sie während unseres unterirdischen
Rundgangs. Faszinierend, dass wir mehr oder weniger denselben Weg heute schon
einmal gelaufen sind – mehrere Meter unter der Erde.
Kellereingang
Die katholische Bartholomäuskirche liegt
unterhalb des Marktplatzes und integriert sich nahtlos in die verwinkelte
Altstadt. Sie wurde 1211 vom Franziskanerorden gegründet und ist damit Teil eines
der ältesten Franziskanerklöster Deutschlands. Die schlichte und klare
Ausstrahlung der Kirche sowie das fehlende Seitenschiff lassen erkennen, dass
es sich um eine Bettelordenskirche handelt. Wir vermuten, dass das auch der
Grund ist, warum das Gotteshaus so unaufgeregt und fast ein wenig versteckt im
Stadtkern liegt.
Kath. Bartholomäuskirche
Im Zuge der Reformation verlor das
Franziskanerkloster an Bedeutung. Von den ursprünglichen Klosterstrukturen
neben der Bartholomäuskirche sind heute nur noch vereinzelte Reste erhalten.
Zum Quaken
Auf dem
RheinTerrassenWeg sind wir noch mitten durch den Krötenbrunnen oberhalb
Oppenheims gewandert. Diesen Namen verdankt die berühmte Weinbergslage einem
alten Wassersystem, das ursprünglich zur Wasserversorgung der Stadt diente. Ein
30 Meter tiefer, inzwischen stillgelegter Stollen fing dort Regenwasser auf und
leitete es nach Oppenheim.
Krötenbrunnen
In der Oppenheimer Altstadt gibt es auch einen „richtigen“ Krötenbrunnen, also einen Brunnen mit putzigen, wasserspeienden Krötenfiguren. Er ist die letzte Station unseres kleinen Stadtbummels. Nach so vielen spannenden Eindrücken wird es höchste Zeit für einen Tropfen Krötenbrunnen – also ein Glas Wein der Oppenheimer Winzer natürlich, kein Glas Brunnenwasser!
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