Auf dem RheinTerrassenWeg: Das Hohlwegeparadies bei Alsheim
4. Juni 2019
Auf dem RheinTerrassenWeg: Das Hohlwegeparadies bei Alsheim
Der RheinTerrassenWeg zwischen Worms und Mainz liegt idyllisch am Rhein und verläuft mitten durch die Weinberge Rheinhessens. Wir sind ihn abgewandert und stellen Euch in unserem Blog nach und nach die interessantesten Höhepunkte auf und neben der Wegstrecke vor. Diesmal tauchen wir in das Hohlwegeparadies von Alsheim ein. Es ist in Größe und Beschaffenheit einmalig und noch dazu ein wertvoller Lebensraum für viele Tiere und Pflanzen. Gemeinsam mit der Kultur- und Weinbotschafterin Melitta Schleich erkunden wir dieses Phänomen.
Die historische Stadt Worms sowie die ersten Etappen des RheinTerrassenWegs liegen hinter uns. Wir haben die herrlichen Ausblicke auf den Rhein und das weite Rebenmeer genossen. In Alsheim legen wir eine längere Pause ein, ziehen die Wanderschuhe aber nicht aus. Das berühmte Hohlwegenetz hat unser Interesse geweckt, schließlich ist es einzigartig in Rheinhessen.
Klein-Paris in Rheinhessen
Ausgangspunkt der kleinen Wanderung ist das Bürgerhaus in Alsheim. Dort erwartet uns Kultur- und Weinbotschafterin Melitta Schleich, die sich gemeinsam mit uns auf den Erkundungsweg Krummsteighohl machen wird. Sie hat einen Schluck Weißwein mitgebracht, das gehöre zur rheinhessischen Gastfreundschaft schließlich dazu. Während wir kosten, erzählt sie ein wenig von der Weinbaugemeinde Alsheim.
Alsheimer Rheinblick
Alsheim ist mit über 700 Hektar Rebfläche eine der größten Weinbaugemeinden Rheinhessens. Dementsprechend wuchs der Wohlstand der Bewohner und die (berechtigten?) Vorurteile ihnen gegenüber. Melitta Schleich berichtet mit einem Augenzwinkern, dass Alsheim von seinen Nachbarn alsbald nur noch “Klein-Paris” genannt wurde. Die Alsheimer selbst hatten den Spitznamen ”Windbeidel“ weg. Da die “Windbeutel” aber so gut über sich selber lachen können, haben sie diesen Spitznamen personifiziert und in Bronze gegossen direkt vor ihr barockes Rathaus gestellt.
Heidenturmkirche in Alsheim
Wir fragen die Kultur– und Weinbotschafterin, welches Fleckchen in Alsheim sie besonders liebt. Melitta Schleich muss nicht lange überlegen: Die evangelische Kirche, eine der vier rheinhessischen Heidenturmkirchen, mit ihrem verwunschenen Kirchhof und den historischen Grabdenkmälern. Die Besonderheit dieses Gotteshauses ist der orientalisch anmutende Turm, der im Volksmund “Heidenturm” genannt wird. Wir versprechen, dass wir dort auch noch vorbeischauen werden.
Eine rheinhessische Besonderheit
Wir setzen uns in Bewegung und erreichen recht
bald den Ortsrand von Alsheim. Die Weinberge liegen unmittelbar vor uns, unser
Blick fällt ins weite Rheintal, die Natur ist ganz ruhig. Das Motto des
Alsheimer Hohlwegenetzes “Wein.Wind.Stille” ist gut gewählt!
Wein.Wind.Stille Alsheim
Noch bevor wir den ersten Hohlwegabschnitt
erreichen, schwärmt Melitta Schleich von der Besonderheit dieses geologischen
Phänomens. Durch natürliche Regenwasserabflüsse, aber auch durch Menschenhand
(landwirtschaftliche Gerätschaften), wurden die Wege im Weinberg über
Jahrhunderte immer tiefer – bis hin zur Entstehung schluchtartiger Gräben. So bildeten
sich meterhohe Lösswände und steile Böschungen, über die sich die Tier- und
Pflanzenwelt besonders freut. Für sie sind die Hohlwege ein wichtiger
Lebensraum.
Das Hohlwegenetz in Alsheim ist eine
rheinhessische Besonderheit. In vielen anderen Gemeinden sind die Hohlwege über
die Jahre durch Flurbereinigungen zugeschüttet worden. In Alsheim nicht.
Nirgendwo sonst kann man diese Lebensräume so gut bestaunen, nirgendwo sonst
ist die Artenvielfalt so groß wie hier. Deswegen sprechen die Alsheimer auch
von einem Paradies.
Entdeckungen im Hohlweg
Als wir vor der ersten meterhohen Lösswand
stehen, können wir das nachvollziehen. Der Anblick ist beeindruckend und wenn wir
ganz leise werden, hören wir ein aufgeregtes Summen und Brummen. Der Löss lebt!
Die vielen winzigen Löcher im Löss sind
Nistquartiere für Wildbienen und Insekten. Vögel nutzen die Hecken der
Hohlwege, um ihre Nester im Weißdorn oder Holunder zu bauen. Wir entdecken eine
Handvoll Eidechsen und Turmschnecken. Dazu zeigt uns Melitta Schleich einen
Kaninchenbau und Fuchsspuren. Es macht richtig Spaß, sich hier umzusehen. Da
der Lössboden besonders fruchtbar ist, wachsen in den Hohlwegen auch viele
Pflanzen – sogar einige südeuropäische Arten. Ihnen gefällt das warme und
sonnige rheinhessische Klima so gut wie uns!
Die Begeisterung der Kultur- und
Weinbotschafterin ist ansteckend. Ihre Sorge auch. Diese Art Lebensraum ist
gefährdet. Pflegt man Hohlwege nicht richtig, dann wuchern sie zu. Die
sonnenexponierten Lösswände verlieren wertvolles Licht. Deswegen hat es sich
Alsheim zur Aufgabe gemacht, die Wege zu erhalten, Pflegemaßnahmen
durchzuführen und Gästen die Schönheit dieser einmaligen Kulturlandschaft zu
zeigen. Wir wissen das sehr zu schätzen!
Wir setzen unsere Wanderung durch Hohlwege und
Weinberge fort. Immer wieder versuchen wir, Pflanzenarten zu erraten und
Tierspuren zu entdecken. Wie um uns vom Artenreichtum Alsheims endgültig zu
überzeugen, erscheint ein Reh mitten im Weinberg. Melitta Schleich schmunzelt
ob unserer Begeisterung und ist wenig verwundert: “Rehe lieben Dornfelder!” Die
Winzer seien darüber meist weniger begeistert.
Eine verwunschene Ruine
Bevor wir zurück zum Bürgerhaus wandern, will
uns Melitta Schleich noch etwas zeigen. Wir machen einen Abstecher nach
Hangen-Wahlheim, einem Ortsteil von Alsheim mit nur einigen wenigen Häusern.
Wir folgen einem schmalen Weg entlang dichter Sträucher und Bäume – und stehen
plötzlich vor einer kleinen Kirchenruine.
Kirchenruine in Alsheim
Maria Magdalena und Jakobus ist eine in der
Spätgotik errichtete Kirche. Sie wurde im französischen Erbfolgekrieg 1689
zerstört und im Jahr 2001 von einer Initiative baulich gesichert. Die Ruine ist
immer noch eine geweihte Kirche. Man kann an diesem romantischen Fleckchen
sogar heiraten. Das sei dann wie im Märchen findet Melitta Schleich. Sie kommt
gerne hierher. Die alten Grabkreuze aus dem frühen Jahrhundert haben es ihr
besonders angetan.
Kirchenruine in Alsheim
Voll neuer Eindrücke und Erlebnisse geht es gemütlich zurück in den Ortskern. Wenn Ihr wie wir das Hohlwegeparadies Alsheim entdecken möchtet, könnt Ihr das auf fünf gut ausgeschilderten Routen auf eigene Faust tun. Wer die Möglichkeit hat, sollte aber unbedingt eine geführte Wanderung mit einem fachkundigem Hohlweg-Führer machen. Wir hätten sonst sicher nicht einmal die Hälfte aller Lebewesen entdeckt oder Pflanzen erraten.
Tipp: Wir lassen den Tag im ZAK – Zum alten Kelterhaus im wunderschönen Garten mit Live-Musik, einer zünftigen Mahlzeit und Rheinhessenwein ausklingen. Auch eine echte Empfehlung!
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