Mitten in der hügeligen Weinlandschaft von Schornsheim stehen sie, die 24 Kunstwerke des Kunstwanderweges „MO/VE/MENTS – Bewegte Momente in Rheinhessen“. Seit der Vernissage am 8. September 2019 sorgen sie in der kleinen Gemeinde nahe Wörrstadt für ein ganz besonderes Kunst- und Naturerlebnis – und das für nur kurze zwei Wochen. Dieses Event ist ein umgesetztes Projekt aus dem ersten Crowdfunding-Contest Ideen Reich Rheinhessen. Ich wollte mir dieses Highlight auf keinen Fall entgehen lassen und mache mich auf den Weg durch die Schornsheimer Gemarkung.
Hier geht`s lang … einfach der Beschilderung folgen
Immer den gelben Schildern nach
Mein Rundgang beginnt am Kulturhof Oma Inge. Hier treffe ich Christina Bruns-Yilmaz, Inhaberin des Kulturhofs und Mitorganisatorin von MO/VE/MENTS. Sie begleitet mich auf der 2,5 km langen Strecke, die extra für den Kunstwanderweg ausgesucht und beschildert wurde. Gelb leuchtende Tafeln, in den grünen Weinbergen gut sichtbar, weisen auch Besuchern den Weg, die ohne Führung die Kunstobjekte bestaunen wollen.
Genau das war auch der Gedanke von Christina Bruns-Yilmaz und ihrer Mitstreiterin Kathrin Schik, als die Idee zu dieser speziellen Ausstellung geboren wurde und dank der erfolgreichen Teilnahme an dem Crowdfunding-Wettbewerb „IdeenReich Rheinhessen“ realisiert werden konnte. „Wir wollten Kunst für jedermann erlebbar machen, raus aus den Museen und Galerien, rein in die Natur“, sagt Bruns-Yilmaz, selbst Künstlerin aus Leidenschaft.
„Zeitsprung“- ein Kunstwerk von Anne-Marie Kuprat
Bewegung und Innehalten
Ihre Begeisterung für das, was sie hier geschaffen haben, ist ansteckend und so freue ich mich, als ich plötzlich wie aus dem Nichts eine Skulptur entdecke. Fast ein bisschen befremdlich wirkt das weiße Gebilde aus Metall und Papier, das sich vor dem grünen Hintergrund der Weinberge abhebt und gleichzeitig neugierig auf mehr macht. „Zeitsprung“ ist der Name des Objekts von Anne-Marie Kuprat, eine von insgesamt 21 Künstlerinnen, die sich an dem Projekt beteiligt haben. Der Titel MO/VE/MENTS ist vielfältig und inspirierend, beinhaltet er doch das Thema Bewegung „Movements“ ebenso wie das Thema Innehalten „Moments“. Ich bin gespannt auf die künstlerische Auseinandersetzung mit diesem Themengebiet und die individuelle Umsetzung, eingebettet in die rheinhessische Landschaft.
„Aussichten“ – ein Kunstwerk von Birgit Sander
Jedes Kunstwerk am richtigen Platz
Fast jede Künstlerin hat
ihre Kreation eigens für diesen Kunstwanderweg erschaffen, sich ihren ganz
persönlichen Ausstellungsort ausgesucht und ihr Werk passend dazu konzipiert, erzählt
Bruns-Yilmaz als wir bei schönstem Wetter entlang der Weinberge spazieren. Es
dauert nicht lange, da treffen wir auf die nächste Installation. Auf zwölf
Stelen hat die Künstlerin Birgit Sander unterschiedliche Glasscheiben angeordnet,
so rissig und zerbrechlich, dass ich mich erst bei genauer Betrachtung davon
überzeuge, dass es sich wirklich um Glas handelt. Einige Scheiben liegen schon
zerbrochen auf dem Boden und verstärken damit die Symbolik hinter diesem Werk:
Das rasante Verschwinden unserer Gletscher und Eisberge.
Witterungseinflüsse, die eventuell mutwillige Zerstörung
oder der eigene Zerfall, all dies ist in der Ausstellung einkalkuliert. „Wir
müssen mit allem rechnen“, so
Bruns-Yilmaz, „auch das von einigen Objekten vielleicht nach zwei Wochen nicht
mehr viel zu sehen ist. Aber das ist eben Teil des Konzepts.“
Distanz und Nähe, Bewegung und Veränderung: „Farbrauschen“ – eine Installation von Claudia Guinard
Berühren ausdrücklich erlaubt
Ich finde die Integration von Kunst in die Natur höchst
faszinierend: die Veränderbarkeit durch äußere Einflüsse, die Wahrnehmung aus
verschiedenen Distanzen, aber vor allem auch die Nahbarkeit, die diese Art der
Ausstellung mit sich bringt. Anfassen ist bei einigen Stationen ausdrücklich
erwünscht. So lässt die Künstlerin Anne Böschen beispielsweise die Besucher
selbst Kunst erschaffen. In ihrer Mitmach-Aktion „Momento vivere“ sind sie
eingeladen, aus Ton kleine Figuren zu formen und diese in der Landschaft zu
hinterlassen. An anderer Stelle sollen Besucher die Position von Fichtenholzrahmen
so verändern, dass sie andere Blickwinkel einnehmen.
Kunst aus Besucher-Hand: „Momento vivere“ von Anne Böschen
Fühlen statt verstehen
Politisch, gesellschaftskritisch,
philosophisch oder auch einfach brandaktuell – jede der 24 Stationen auf diesem
Rundgang hat dank der unterschiedlichen Interpretation des Themas MO/VE/MENTS ihren
ganz eigenen Reiz. Zugegeben, an mancher Stelle bin ich froh, eine Expertin an
meiner Seite zu haben, denn nicht alle Installationen erschließen sich mir ohne
Erklärung. Aber im Nachhinein betrachtet, ist das auch nicht notwendig. Es geht
nicht um hundertprozentiges Verstehen, es geht um das Erleben und die ganz
eigene Interpretation. Es geht um die Verschmelzung von Kunst und Natur, wenn
man durch eine Weinbergsreihe geht und plötzlich vor einem Kunstwerk steht.
Als ich am Ende des Kunstwanderweges angekommen bin, werfe
ich noch einen Blick zurück. Nur zwei Installationen sind aus der Ferne zu
entdecken. Die anderen warten gut versteckt auf ihre nächsten Besucher. Diese
müssen sich allerdings beeilen, denn am 22. September 2019 ist alles wieder
vorbei – schade!Geführte Wanderungen finden am 13. September um 18.00 Uhr sowie am 14. und 15. September um 16.00 Uhr statt. Am 22. September endet die Ausstellung mit Kerbefrühstück um 10.00 Uhr im Kulturhof Oma Inge und anschließender Führung um 12.00 Uhr.
Impressionen
Was bleibt, was geht?: „Schattenwächter“ von Künstlerin und Organisatorin Christina Bruns-YilmazTanz der Mobilés: „Wolkenfuge“ – ein Komposition von Dorothea KirschEs gibt nicht nur schwarz und weiß: „Between“ von Künstlerin Usch Quednau
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